Und manchmal ist das Leben nicht bunt, sondern schwarz - Gedenkstätte Buchenwald

 



Bislang konnte mir niemand erklären, warum ich, Baujahr 1968 jahrelang unter Albträumen von Konzentrationslagern litt, in denen ich selbst gefoltert wurde und das Leben und Grauen wahrnahm, als wäre es Realität.

Wir waren unterwegs im Weimarer Land, der Glockenturm weithin sichtbar. Ich stehe ja nicht so auf  Monumente und Protzbauten, aber hier ist es tatsächlich mal gelungen, ein Mahnmal weithin sichtbar aufzustellen, das immer wieder daran erinnert, was dort oben im Konzentrationslager geschah.

Es gibt tatsächlich noch Menschen, die den Holocaust leugnen. Was bitte entspricht nicht der Wahrheit an diesem Ort, an den Dokumenten, Fotos, Gebäuden? 

Wir fuhren gleich am Morgen hin, die Sonne schien, es war ein schöner Tag, mir ging es gut. Für mich der richtige Zeitpunkt, um herauszufinden, ob sich meine Träume auf diesen Ort bezogen haben. 



"Jedem das Seine".... wie oft führt man lachend diesen Spruch fort "und mir das Meiste"..... Ich ging durch das Tor und mir stockte der Atem, der riesige Appellplatz. Ich war mir vorher nicht sicher, ob ich das Krematorium schaffen würde, hatte aber extra die Uhrzeit so gelegt, dass es geöffnet sein würde. 

Aber es ging mir ja gut, naja, der Atem wurde etwas schwer, ich fror innerlich seit dem Durchschreiten des Tores. Kennst du innerliches Frieren? Es begleitet mich seit dem 15. Lebensjahr. Ich kann bei 20 Grad und Sonne einen dicken Pullover tragen und friere trotzdem. Die Kälte strahlt vom Bauchnabel in jede Faser des Körpers. Das einzige, was half, war Alkohol, dann wurde es im Bauch warm. Aber den habe ich ja seit Jahren hinter mir gelassen. 


Vor dem Krematorium stand eine Gruppe Jugendlicher mit wohl zwei Begleitern. Alle hatten ihre Handys in der Hand, vermutlich mit der App der Gedenkstätte per Audio? Fröhlich, laut, unbeeindruckt. Und vor diesem Foto stand dann tatsächlich einer der Jugendlichen wiederum lachend. Ich bin auch jetzt nach zwei Tagen immer noch fassungslos darüber. Ich hatte noch nachgedacht, ob ich die Lehrerin anspreche und ermahne, dass an diesem Ort Stille herrschen sollte, da kam eine der Jugendlichen aus dem Leichenkeller die Treppe hoch und rief: "Boar das stinkt da!" Ich konnte dann nichts mehr sagen.



Als Lehrerin muss ich doch vor dem Besuch eines solchen Ortes einschätzen können, ob sich meine Truppe dementsprechend verhalten kann, dass es nicht unangemessen wird, verzichte auf die HandyApps, sondern buche eine Führung oder ermahne die Kids zumindest, sich entsprechend zu verhalten. Oder aber, ich lasse es ganz, wenn sie noch nicht so weit sind. Aber das hier ging überhaupt nicht.  



Ich bemühte mich dann noch, die Ausstellung "Ausgrenzung und Gewalt" anzusehen, lief aber wie fremdgesteuert an allem vorbei. Lediglich der Raum, indem Dinge gezeigt wurden, die Häftlinge angefertigt hatten, Spielzeug für ihre Kinder, ein Schachspiel, Schmuck, ein BH werden in Erinnerung bleiben mit hohem Respekt vor der Fähigkeit der Menschen, sich an diesem Ort Menschlichkeit und Kultur zu bewahren. 



Unterdessen bekam ich fast keine Luft mehr, ich wollte einfach nur noch weg und diesen Ort verlassen. Das Frieren wurde unerträglich, das Gehen fast unmöglich, ich wollte rennen, aber es ging nicht. 

Eigentlich war für den Tag geplant, dass wir noch unseren Ausflug bis zum nächsten Tag fortsetzen wollten. Aber wir brachen nachmittags ab und fuhren in unseren Garten. Ich brauchte Vertrautes und eine sichere Umgebung. 

Ich denke weiterhin darüber nach, warum mir diese Albträume passieren. Meine Vermutung geht in die Richtung, dass ich als viel zu junger Mensch damit konfrontiert wurde ohne die Möglichkeit, mit jemandem darüber zu reden ohne es mit Hilfe verarbeiten zu können. Ich war mit dem allein gelassen worden, was der Besuch in der Gedenkstätte Sachsenhausen im Alter von etwa 10 Jahren und Film und Buch "Nackt unter Wölfen" mit mir gemacht haben. Es war einfach eine Traumatisierung, die ich bis heute nicht verarbeitet habe. 



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